pt_02_2020_old

The perfect shot. DER RENOMMIERTE FOTOGRAF HOLGER WILD VERRÄT UNS, WIE MAN EINEN PORSCHE PERFEKT ABLICHTET. E in Auto fotografieren – kann jeder. Einen Porsche allemal, denn der sieht ja aus jedemWinkel gut aus. Oder gehört doch etwas mehr dazu? Licht, Location, Winkel, Tageszeit, Intuition, Erfahrung, Kreativität … HolgerWild hat viele Fahrzeuge vor der Linse gehabt, etwa den neuesten 911 und zuletzt den neuen Panamera. Er verrät Ihnen, wie es geht – und gibt Tipps, wie Sie es selbst machen können, für Ihren InstagramAccount oder das edel gerahmte Bild imWohnzimmer. HerrWild, kann man einen Porsche eigentlich „schlecht“ fotografieren? Es stimmt schon, dass ein ästhetisch tolles Subjekt ein scheinbar besseres Foto ergibt. Denn es hält die Aufmerk- samkeit des Betrachters eher fest. Aber gerade solche Bilder „verwelken“, und man sieht sich schnell satt an ihnen. Es ist dann eben nur ein Bild eines schönen Autos, aber noch lange kein gutes Bild. Und was ist das Geheimnis? Ein gutes Bild besticht vor allen Dingen durch eine besondere Situation oder Location. Das ist oft mehr Arbeit, als man dem Motiv ansieht. Auf professionellen Shootings werden Locations vorher auf Mach- barkeit und Lichtwirkung überprüft. Die Straße muss gesperrt werden und die Polizei den Verkehr umleiten. Manchmal wird auch noch mit Models gearbeitet und Licht gesetzt. Diese Möglichkeiten hat der Laie natürlich nicht. Geht es auch einfacher? Klar! An vielen Loca- tions lassen sich tolle Fotos machen, etwa nachts auf einem Supermarktparkplatz unter dem Licht einer einzelnen Laterne. Oder man stellt seinen historischen Porsche vor ein mo- dernes Gebäude. Oder den neuen 911 vor einen morbiden Brückenpfeiler. Ich bin ein Freund von formalen Kontrasten: alt/neu, groß/klein, hell/ dunkel, bunt/grau. Und dann einfach abdrücken? Wichtig ist, dass man Geduld mitbringt. Manchmal entsteht das gute Bild erst, wenn man glaubt, man sei fertig, um dann festzustellen, dass da am Himmel ja noch die Vögel kreisen, die man am besten mit ablichtet. Oder da ein Passant vorbeiläuft, der sich nach dem Auto umdreht und die Situation lebendiger macht. Also nicht nur auf das Auto konzentrieren, sondern immer die Situation mit einfangen. Was ist noch wichtig? Licht spielt eine große Rolle. Dunkle Metallic-Lacke benötigen direkte Sonne, weiße Fahrzeuge ein strenges, hartes Streiflicht, und schwarze Autos fühlen sich im Schatten eines Gebäudes bei klarem Himmel am wohlsten. Aber die wichtigsten Kriterien sind: die eigene Wahrnehmung trainieren, den richti- gen Moment spüren und üben, üben, üben. Was ist die Schokoladenseite eines Porsche? Mir persönlich gefallen Dreiviertel-Heck- und volle Heckperspektiven am besten. Auch eine reine Seitenperspektive ist gerade bei einem Porsche sehr dankbar. Schwieriger sind direkte Frontperspektiven. Dann lieber einen Schritt zur Seite gehen und bei der Siebenachtel-Front landen. Wie sollte man einen Porsche inszenieren? Ich mag es, wenn sich eine beiläufige Situation etwa durch Licht in einen magischen Moment verwandelt. So habe ich auch den neuesten 911 für einen Schuss in einem gewöhnlichen Park- haus fotografiert, in dem sich frühmorgens für 10 Minuten ein echtes Lichtfeuerwerk abspielte. Da lohnt sich das Aufstehen! Wenn jemand also auf demWeg zur Arbeit immer wieder feststellt, dass an der einen Ecke ein tolles Licht ist, dann sollte er dort ein paar Bilder machen – am besten sonntagmorgens, da ist kein Verkehr. Übrigens kann man selbst mit einem Smart- phone passable Ergebnisse erzielen. „Vordergrund macht Bild gesund.“ Nur ein Klischee? Das kann tatsächlich helfen, etwas mehr Tiefenwirkung zu erreichen. Das Bild hat dann etwas Beobachtendes. Zweige eines Baumes können so etwas erzeugen oder eine unscharfe Straßenlaterne. Auch ein an- geschnittener Fensterrahmen funktioniert gut. Welches Fahrzeug wollen Sie unbedingt mal fotografieren? Es ist ja nicht immer nur das Fahrzeug, sondern auch die damit verbundene Reise, die Idee des Shootings oder die Historie. Neben den neuen Modellen finde ich besonders historische Sportwagen mit ihrer Patina interes- sant, z. B. den Porsche 917 von 1970. Die Designsprache der 70er und 80er Jahre be- geistert mich total. Die Autos wirken viel leichter und filigraner als moderne Fahrzeuge. Wenn ich da die Haube öffne, sehe ich echte Zylinderköpfe und Lüfterräder. Das alles ist fotografisch sehr interessant. Und wenn Sie mal nicht shooten, sondern nur fahren wollen? Zu gerne würde ich mal auf dem Nürburgring ein paar Runden mit dem 911 GT2 RS drehen. Allerdings mit Walter Röhrl als Fahrer und mir als Beifahrer. Er könnte mir dann ein paar Tricks verraten. Wenn ich selbst fahren würde, dann in einem Porsche 959 Paris–Dakar von 1986 auf einer Tour durch Asien oder in einem Singer Porsche einmal den Highway One in Kalifornien rauf und runter fahren, das wär‘ was! Über HolgerWild (53), Hamburg Der international tätige und vielfach aus- gezeichnete Fotograf hat das gemacht, wovon viele träumen: das Hobby zum Beruf. Er studierte Fotodesign in Kiel und kam danach nie wieder von der Linse los. Neben „Automotive“ realisiert er auch viele freie Projekte, die nichts mit Rädern zu tun haben. Seine Arbeiten finden Sie unter www.holgerwild.de • Gegensätze herausarbeiten: hell/dunkel, alt/neu, nah/fern • Früh aufstehen für gutes Licht • Vordergründe nutzen • Ungewöhnliche Locations in gewöhnlichem Umfeld suchen (z.B. verlassenen Supermarktparkplatz) • Mutig etwas ausprobieren und: üben, üben, üben CHECKLISTE FÜR DEN PERFECT SHOT: 14 FASZINATION

RkJQdWJsaXNoZXIy OTc0MjQ0